1. Technologischer Hintergrund
Digitale Arbeitsabläufe bestehen aus drei Kernschritten: Scannen, Konstruieren und Fertigen (CAM). Offene und geschlossene Systeme unterscheiden sich in diesen Aspekten erheblich.
Geschlossene Systeme - wo sie Sinn machen
Geschlossene Systeme bieten eine vollständig definierte Prozesskette von einem einzigen Hersteller. Dies kann Vorteile bieten wie:
Sie sind ideal für Anwender, die mit einem festen Satz von Indikationen arbeiten und eine stark kontrollierte Lösung bevorzugen.
Offene Systeme - Flexibilität durch Interoperabilität
Offene CAD/CAM-Systeme erlauben die freie Kombination von Scannern, Software und Fertigungseinheiten verschiedener Hersteller. Ermöglicht wird dies durch herstellerneutrale Dateiformate wie STL, PLY oder OBJ.
Studien wie die von Zhermack (2022) zeigen, dass offene Datenwege vor allem dann wichtig werden, wenn die Arbeitsabläufe zwischen Praxis und Labor variieren oder wenn die Systeme im Laufe der Zeit anpassungsfähig bleiben sollen.
Wesentliche Vorteile offener Systeme:
Technische Standards
Die FDI (2020) empfiehlt ausdrücklich die Verwendung offener digitaler Standards, um Workflow-Barrieren und langfristige proprietäre Abhängigkeiten zu reduzieren.
2. Praktische Anwendung / Anwendungsfälle
2.1 Zahnarztpraxis
Flexible Scanner-Integration
Offene Systeme ermöglichen den Einsatz verschiedener Intraoralscanner - vom Einsteigermodell mit hoher Geschwindigkeit bis zum hochauflösenden Farbscanner für ästhetische Fälle.
Chairside oder Labside? Beides ist möglich
Die Entscheidung, ob eine Restauration chairside oder im Labor hergestellt wird, kann für jeden Fall individuell getroffen werden - ohne Systemeinschränkungen.
Verbesserte Zusammenarbeit mit Laboren
Offene Formate vereinfachen den Datentransfer und reduzieren Fehler, die bei Konvertierungen auftreten können.
2.2 Dentallabor
Materialvielfalt ohne Einschränkung
Labore profitieren in hohem Maße von einer offenen Architektur, da sie je nach Indikation eine Vielzahl von Materialien benötigen, wie z. B. Zirkoniumdioxid, PMMA, Hybridkeramik oder Lithiumdisilikat.
Offene CAD/CAM-Systeme beseitigen die Materialbeschränkungen, die bei geschlossenen Systemen üblich sind.
Verarbeitung von Daten aus vielen Scannern
Labore erhalten Daten aus verschiedenen Praxen. Offene Systeme vereinfachen den Umgang mit verschiedenen Scanqualitäten und -formaten.
Integration von neuen Technologien
KI-Designmodule, automatische Verschachtelungswerkzeuge und moderne CAM-Algorithmen können leichter integriert werden, wenn Formate und Schnittstellen Standards folgen.
2.3 Fräszentrum
Verarbeitung heterogener Daten
Fräszentren erhalten Dateien aus unzähligen Quellen. Offene CAM-Infrastrukturen reduzieren Engpässe und verbessern die Skalierbarkeit.
Modularer Ausbau des Maschinenparks
Neue Maschinen, Materialien oder Automatisierungsstufen können hinzugefügt werden, ohne dass das gesamte System neu konzipiert werden muss.
3. Vorteile für Fertigungszentren
3.1 Klinische Vorteile
3.2 Prozess-Optimierung
Offene Arbeitsabläufe eliminieren unnötige Konvertierungen und Wartezeiten. Insbesondere zwischen Praxis ↔ Labor wird ein sauberer und effizienter Datenfluss geschaffen.
3.3 Wirtschaftliche Vorteile & Investitionssicherheit
Offene Systeme ermöglichen:
3.4 Unabhängigkeit bei der Gestaltung des Workflows
Praxen und Labore können Geräte ersetzen und optimieren, ohne an ein geschlossenes Ökosystem gebunden zu sein.
4. Herausforderungen/Grenzwerte
4.1 Höhere Anforderungen an das Systemverständnis
Offene Workflows erfordern ein gewisses Wissen über Datenformate und Prozessschritte. Moderne Assistenzfunktionen und KI-Tools helfen jedoch, diese Komplexität zu reduzieren.
4.2 Stärker verteilte Verantwortung
Im Vergleich zu geschlossenen Systemen tragen die Nutzer mehr Verantwortung für Kompatibilität und Updates.
Gut definierte interne Prozesse und verlässliche Servicepartner machen dies überschaubar.
4.3 Unterschiede in der Datenqualität
Die Genauigkeit der Scanner ist unterschiedlich.
Gleichzeitig bieten offene Systeme den Vorteil, dass der für die jeweilige Indikation am besten geeignete Scanner gewählt werden kann.
5. Markt- und Zukunftsperspektiven
5.1 Offenheit als Schlüsselkomponente der Digitalisierung
González et al. (2025) zeigen, dass Innovationen in der digitalen Zahnmedizin schneller angenommen werden, wenn die Systeme offen gestaltet sind.
5.2 KI steigert den Wert von offenen Daten
Viele KI-gestützte Design-Tools basieren auf standardisierten Formaten. Offene Systeme ermöglichen eine nahtlose Integration.
5.3 Der Trend geht eindeutig zu modularen Systemen
Angesichts der Vielfalt der heute verfügbaren Technologien ist es zunehmend unwahrscheinlich, dass geschlossene Systeme langfristig dominieren werden. Zukunftsfähige Arbeitsabläufe sind modular, interoperabel und leicht erweiterbar.
6. Schlussfolgerung und Empfehlungen
Offene CAD/CAM-Systeme bieten eine überzeugende Kombination aus Flexibilität, Investitionssicherheit und langfristiger Anpassungsfähigkeit. Sowohl Praxen als auch Labore profitieren von der Freiheit, digitale Geräte und Softwaremodule nach Bedarf zu kombinieren.
Für Praxen bedeutet dies:
Für Labore bedeutet dies:
Für Fräszentren bedeutet es maximale Freiheit bei der Bearbeitung heterogener Daten und Materialien.
Empfehlung:
Bei der Anschaffung neuer Geräte sollten Anwender darauf achten, dass die Systeme standardisierte Formate unterstützen, modular aufgebaut sind und sich ohne Einschränkungen in bestehende Arbeitsabläufe integrieren lassen. Das erhöht die Flexibilität und schützt langfristige Investitionen.
FAQ
1. Was ist der Unterschied zwischen einem offenen und einem geschlossenen CAD/CAM-System?
Offene Systeme verwenden standardisierte Dateiformate (z. B. STL, PLY) und ermöglichen die freie Wahl von Scannern, Software und Materialien. Geschlossene Systeme schränken diese Freiheit ein, bieten aber eine einheitliche Umgebung.
2. Was sind die Vorteile offener Systeme für Zahnarztpraxen?
Praxen profitieren von einer flexiblen Scanner-Integration, frei wählbaren Partnerlaboren und der Möglichkeit, je nach Bedarf chairside oder labside zu arbeiten.
3. Warum sind offene Systeme für Labore wichtig?
Labore erhalten Daten aus vielen Quellen. Offene Systeme reduzieren Konvertierungsfehler, ermöglichen Materialfreiheit und unterstützen die Skalierbarkeit.
4. Sind offene Systeme komplizierter?
Sie erfordern ein gewisses Verständnis für Schnittstellen, profitieren aber stark von moderner Automatisierung und standardisierten Dateiformaten.
5. Wird die Zukunft der Zahnmedizin offen oder geschlossen sein?
Die aktuelle Literatur und die Marktentwicklung zeigen deutlich, dass modulare offene Systeme aufgrund ihrer Flexibilität und Investitionssicherheit dominieren werden.